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Thema: Goslarer Jäger in der Schlacht von Verdun 1916

Baum-Darstellung

  1. #38
    Gedingeschlepper Avatar von immotafides
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    Vermutlich zeitgleich in nächster Nähe spielte sich diese Begebenheit ab.

    Leutnant Engelhardt, der auch den Weg zu einem Infanteriewerk zu machen hatte, schreibt im Brief vom 20.6.1916:

    „Gleich am Ausgange liegen schon die Leichen. Franzosen – einige Kameraden – im Tode sind sie ja alle gleich. Wer würde sich davor noch entsetzen? Ist man so wenig noch Mensch? Ist es Willensstärke, die einem über die Leichen hinweghilft? Wer hätte das früher gekonnt! Man denkt sich nichts mehr dabei. Was gibt uns nur die Kraft, das auszuhalten? Wer will sich dagegen wehren? Was würde das helfen – es ist ein stummes Dulden und Ertragen. Ich bewundere meine Leute, wie sie das alles hinnehmen. Sind das nicht Helden, die da solange aushalten, bis der Tod sie erlöst, bis sie von Granaten zerfetzt zusammensinken? Kein Wort des Murrens ... Es sind ja keine Menschen mehr, nur noch Wesen, die ohne Nachdenken ihre Pflicht tun wie Maschinen, mit tiefernsten Gesichtern, schwerbeladenen Gemütern. Sie alle haben das Lachen verlernt; kein Wort des Scherzes mehr, den man Galgenhumor nennt. Nur die Augen sprechen, sie sind voller Sehnsucht nach – ihren Lieben daheim. Sehnsucht, die sich nicht in Worte kleiden lässt; könnte sie sich Luft machen in Tränen, man möchte weinen ... Man kann nicht, die Nerven sind zu abgespannt, der Geist ist zu angeregt durch die fortwährenden Einschläge der Granaten. Die Augenlider wollen vor Müdigkeit zufallen, aber etwas reißt sie wieder auf. Das unheimliche Heulen und Pfeifen der Granaten erinnert an die Wirklichkeit. Weiter, weiter! Unsicher der Fuß, unsicher das Auge -.

    Wir sind am Infanteriewerk angekommen. Ich bekomme den Auftrag, das zweite Infanteriewerk zu suchen. Ich weiß weder Richtung, noch Entfernung, noch kenne ich das Gelände. Ein Offizier gibt mir die Richtung. Ich lege mich gerade wieder hin und warte auf Leuchtkugeln, damit ich mich wenigstens etwas orientieren kann. Da meine ich etwas bemerkt zu haben. Herrgott, ist man nervös! Da – wieder! Eine Gestalt kommt gebückt näher. Ich rufe sie an. Keine Antwort! Nun denke ich, sollte das ein Franzose sein? Sofort mache ich meinen Revolver fertig zum Schuss. Da ist die Gestalt auch schon bei mir uns sinkt neben mir erschöpft zusammen. Es ist ein Franzose. Er ist, wie er sagt, schwer verwundet und bittet um einen Tropfen Wasser. Das ist nun mein Feind, und doch ist es mir, als wenn
    es mein Freund wäre. Es ist doch nichts Neues, dass mir verwundete Franzosen begegnen; sie laufen und liegen in Mengen hier herum, und keiner kann ihnen helfen. Das Herz springt mir. Ich stelle mir vor, an seiner Stelle zu sein und um einen Tropfen Wasser betteln zu müssen. Ich gebe ihm einen Viertelbecher Kaffee. Er weiß nicht, wie er mir danken soll. - - - Da fällt mir ein, dass ich einen Kompass besitze. Nun sehe ich ein, dass die Richtung, die mir der Offizier angegeben hat, ganz falsch ist. Ich verlasse mich auf meinen Kompass. Eine Leuchtkugel zeigt mir den richtigen Weg. Ich sehe das Werk liegen; mein Auftrag ist erfüllt. Ein Mann holt die anderen Leute hierher. Wir kommen in dem Werke an.
    Tote liegen herum. Es muss heiß gekämpft worden sein an dieser Stelle. Die Betonmauern sind noch warm, da drinnen muss es gebrannt haben. Ein furchtbarer Dunst kommt uns entgegen. Inzwischen ist es schon drei Uhr morgens. Wir hocken uns hin, wo Platz ist, und wollen die Morgendämmerung abwarten. Man kann ja nichts sehen. Immer und immer wieder stöhnen die Schwerverwundeten; es liegen noch mehrere Franzosen und Deutsche hier. Wie lange mochten sie schon liegen, fünf bis sieben Tage und Nächte, ohne einen Tropfen Wasser! Entsetzlich! Und niemand kann ihnen helfen. Unwillkürlich kommt der Gedanke, selbst hier zu liegen, abgeschnitten von der Welt, hilflos, einem entsetzlichen Ende entgegensehend ...

    Da – was ist das? Die französischen Granaten kommen näher und näher. Jetzt platzen sie schon vor dem Eingang. Das muss Verrat sein! Wochenlang haben sie nicht dahin geschossen und ausgerechnet jetzt, wo wir alle auf dem Werk sind, schießen sie hierher. Der Franzose kommt mir ins Gedächtnis. Sollte das nur Verstellung gewesen sein? War das der Dank? – Da plötzlich fegt eine Granate mitten in das Werk hinein. Die Funken sprühen – dicke Zementstücke fallen auf uns hernieder. Die nächste Granate! Volltreffer! Der Raum ist im Augenblick mit Phosphor angefüllt. Sie schießen mit Brandgranaten. Die Gase rauben einem den Atem. Es gibt ein furchtbares Durcheinander! Alles drängt hinaus. Wir können den Eingang nicht finden. Alles drängt nach der falschen Richtung, einem unterirdischen Gang zu. Immerfort schlagen neue Granaten ein. Dazwischen das entsetzliche Stöhnen der Verwundeten. Wer denkt daran, hat doch jeder mit sich selbst genug zu tun. Endlich ist der Ausgang gefunden. Das Werk brennt schon. – Draußen beginnt es hell zu werden, dadurch ist die Gefahr vergrößert. Man kann uns jetzt mit Beobachtung beschießen. Zwanzig Meter von dem Werk entfernt werfe ich mich völlig erschöpft in einen Granattrichter. Ich kann nicht mehr, kann auch keine Luft kriegen. Sollten das giftige Gase gewesen sein? Dieser entsetzliche Druck auf Brust und Lunge! Ich zittere vor Aufregung - zu gewaltig war das soeben Erlebte. Auf einmal setzt ein wahnsinniges Artilleriefeuer ein. Die Franzosen haben uns bemerkt. Ja, sie passen gut auf, leider! Mit mehreren Batterien schossen sie nun, was heraus wollte, sie sparen nicht mit Munition. Zwei ganze Stunden lag ich in dem Granattrichter. Sie wurden mir zu einer Ewigkeit. Von Sekunde zu Sekunde wartete ich auf mein Ende. Rings um meinen Trichter schlugen die Granaten ein, alle möglichen Kaliber. Ich vermag mit Worten dieses Warten nicht zu schildern. Nach zwei langen bangen Stunden ließ das Feuer nach. Es blieb sich ja schließlich gleich, ob man sich an Ort und Stelle kaputt schießen ließ, oder ob im Laufen getroffen wurde. Fortwährend schlugen die Granaten ein. Die armen Menschen, die noch drinnen waren! Sie wurden nicht nur verwundet, sie mussten obendrein noch verbrennen und niemand konnte ihnen helfen. Ein dicker Qualm kam aus dem Werk - - Mit ganzer Kraft rannte ich weiter, von Trichter zu Trichter springend, nach dem anderen Infanteriewerk zu. –
    Nun setzte ein wahnsinniges Feuer auf dieses Werk ein. Die Franzosen hatten bemerkt, dass wir bis hierher gelaufen waren. Das ganze Gelände zitterte. Der Beton barst und bröckelte, aber er hielt stand. Elf Stunden lang hielt das wahnsinnige Feuer auf dieses Werk an. Die Nerven aufs äußerste angespannt, übermüdet, zu Tode erschöpft und immer die Klagelaute der Verwundeten, die Gedanken an daheim. Warum wird man nicht wahnsinnig? Raus mussten wir wieder aus dieser Hölle - - - und dann kamen wir wieder ins Fort zurück.“

  2. Danke von:

    Harzer06 (27.06.2019)

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