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Thema: Denkmalschutz und Fensterstreit

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    Schießhauer Avatar von Toni Pepperoni
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    Goslar. Helle oder dunkle Fenster? Im Streit mit dem Denkmalschutz zitieren Bürger immer wieder das „Gestaltungshandbuch“, das auf der Stadt-Homepage www.goslar.de zu finden ist. Dort steht eindeutig, dass Fenster weiß sein sollen und nach außen aufgehen können (also nicht müssen). Gilt das Handbuch noch? Wieso hält sich der Denkmalschutz dann nicht daran? Gilt es nicht mehr? Warum steht es dann auf der offiziellen Stadtseite?
    Richtlinien zur Fenstergestaltung in der Altstadt

    Wer wissen will, wie Fenster in der Goslarer Altstadt beschaffen sein sollen, stößt beim Googeln sofort auf das Büchlein „Der Bauberater für Goslar“. Das Gestaltungshandbuch, dessen Untertitel die „Richtlinien für die Erhaltung und Gestaltung des Unesco-Weltkulturerbes Altstadt Goslar“ ankündigt, ist auf der Stadt-Homepage unter www.goslar.de/images/stadt-buerger/ wohnen-bauen/denkmalschutz-weltkulturerbe/gestaltungshandbuch.pdf zu finden. Darin steht auf Seite 35: „Neue Fenster können – nach historischem Vorbild – mit nach außen gehenden Fenstern ausgestattet werden“ und „Fenster sollen einen weißen Farbton aufweisen. In begründeten Ausnahmefällen sind auch graue Farbanstriche der Fenster möglich.“

    Allerdings: Das Handbuch ist nicht mehr das jüngste, das Geleitwort stammt noch von Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse. Der Text, verfasst von Dr. Christine Bauer, ist datiert auf das Jahr 2003.
    Keine Rechtsgrundlage

    Stadtsprecherin Vanessa Nöhr hat auf GZ-Anfrage dazu Stellung genommen. „Das Gestaltungshandbuch sollte eine Handreichung sein, damit sich Bürgerinnen und Bürger sowie Handwerksbetriebe grundsätzlich über denkmalgerechte Sanierung informieren konnten“, schreibt sie. „Das Gestaltungshandbuch ist aber keine Rechtsgrundlage, sondern ausschließlich das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz ist Rechtsgrundlage für die Arbeit der Denkmalschutzbehörden. Und in der Tat sind Passagen des Gestaltungshandbuchs überholt“, sagt die Stadtsprecherin. Dass sich inzwischen die Regeln des Denkmalschutzes geändert haben, sei dem wissenschaftlichen Fortschritt geschuldet. „Es ist natürlich irreführend, dass das Handbuch dennoch ohne entsprechenden Hinweis 1 zu 1 auf unserer Homepage zu finden ist“, räumt Nöhr ein. Die Konsequenz: „Wir werden da zeitnah nachsteuern.“ Seit der GZ-Anfrage vom 22. Februar zum Status des Handbuchs ist jedoch noch kein „Nachsteuern“ sichtbar.
    Goslar ist kein Einzelfall

    Dass sich im Verlauf von fast 20 Jahren die wissenschaftlichen Grundlagen ändern, klingt einleuchtend. Wie aber kamen die Denkmalschützer zu der Entscheidung, ab 2017 verstärkt dunkle Fenster vorzuschreiben? „Das Wissen um farbige Fenster an historischen Bauten ist seit vielen Jahren bekannt und wird auch vielfach konsequent in anderen Städten und Regionen Deutschlands durchgesetzt“, betont Nöhr. Goslar sei da kein Einzelfall. „Allerdings sind die Menschen nicht ausreichend in diesen Prozess einbezogen worden“, stellt sie angesichts des aktuellen Streits fest.
    Farbspuren an historischen Fenstern

    Die Hauptquellen für die neuen Erkenntnisse seien historische Bilder sowie Farbbefunde an historischen Fenstern. „Sie geben sehr viele belastbare Hinweise, dass im Regelfall die Fenster farbig waren und nur im Ausnahmefall weiß beziehungsweise hell.“

    Nun gibt es aber bei einigen Häusern, die um 1900 entstanden sind, sogar fotografische Belege für ursprünglich weiße Fenster. Etwa das Haus des Ehepaars Rinck in der Gosestraße (die GZ berichtete). Warum verlangt der Denkmalschutz hier weiße Fenster? Nöhr: „Bis etwa um 1905/1910 wurden Fenster in der Regel farbig ausgestaltet. Weiße Fenster waren die Ausnahme. Wenn jedoch dokumentiert ist und entsprechend nachgewiesen werden kann, dass die Fensterrahmen ursprünglich weiß waren, sind auch weiße Fensterrahmen zulässig.“ Generell seien um die Jahrhundertwende vermehrt weiße und helle Fenster aufgekommen. Aber: „In den meisten Fällen waren das Bestandsfenster, die ursprünglich farbig waren und erst damals einen neuen Anstrich erhalten haben. Sie gehörten also nicht zur ‚weißen Ausnahme‘“, hebt die Stadtsprecherin hervor.
    Beispiele für helle und dunkle Rahmen

    Als Beispiel für eine ursprünglich helle Farbgestaltung nennt sie das Haus am Marktkirchhof 1, dessen Vorgängerbau 1906 abgebrannt war und 1907 gegen den heutigen Neubau ersetzt wurde: „Dessen Fenster erhielten nachweislich einen hellen Farbanstrich. In einem solchen Einzelfall kann von der Regel abgewichen und eine helle statt farbige Fenstergestaltung gewählt werden“, sagt Nöhr. Ein Gegenbeispiel: „Dass farbige Fenster um die Jahrhundertwende durchaus als Gestaltungswille der damaligen Zeit in Goslar zu deuten sind, zeigen sehr schön zwei repräsentative Bauten am Markt, Nummer 12 und Nummer 11, deren Fenster nach 1900 ebenfalls einen neuen Anstrich erhalten haben, und dieser war nachweislich farbig.“
    Was gilt? Neue Satzung seit 2019 gefordert

    Das Handbuch gilt also nicht mehr. Was ist also dann die Grundlage? Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner hatte kürzlich erklärt, sie wolle mit dem Stadtrat darüber sprechen, „ob wir wieder eine Gestaltungssatzung einführen“. Zur aktuellen Diskussion verweist die Stadtsprecherin auf einen Ratsbeschluss vom 19. März 2019: Danach hat der Rat die Verwaltung beauftragt, eine örtliche Bauvorschrift zur Erhaltung und Gestaltung der Altstadt von Goslar zu erarbeiten, die dann vom Rat zu beschließen ist.“ Ihr Fazit: „Der aktuelle Diskurs hat uns gezeigt, dass es dringend notwendig ist, eine zeitgemäße Auflage des Gestaltungshandbuches zu erarbeiten beziehungsweise eine neue Gestaltungssatzung zu beschließen. In diesen Prozess ist die Stadtgesellschaft einzubeziehen.“

    Gruß
    Toni

    Quelle: GZ
    Geändert von Toni Pepperoni (03.03.2022 um 09:05 Uhr)

  2. Danke von:

    Andreas (19.04.2022),nobby (03.03.2022)

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