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Thema: Goslar während der Nazi-Zeit

Baum-Darstellung

  1. #10
    Schießhauer Avatar von Verwaltung
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    So, ich fange jetzt mal an mit meinem Bericht, der im ersten Teil eher den optischen und haptischen Eindruck festhalten soll.

    In meinem Beitrag "Sprache im Wandel der Zeit" hatte ich ja schon auf diverse "Silberführer" der Stadt Goslar zurückgegriffen und daraus berichtet.

    Jetzt gehen wir ganz zurück in die Anfänge des Silberführers.
    Meiner Information nach ist die erste Auflage im Jahr 1934 erschienen.
    Mir liegt aktuell die zweite Auflage vor, die ich in die Zeit zwischen 1936-1938 ansiedele.

    Das haptische Gefühl, solch ein "altes" Büchlein in den Händen zu halten ist zwiespältig.
    Einerseits bin ich mir bewußt, wie geschichtstragend dieses Büchlein ist.
    Und vor allem wie wertvoll, denn irgendwann wird es diese alten Ausgaben auf dem Markt nicht mehr zu kaufen geben.
    Andererseits haben diese alten Bücher einfach einen unangenehmen Geruch an sich.

    Optisch ist es wirklich ein "Silberführer" - sofort zu identifizieren.
    Irritierend für mich ist natürlich die Aufschrift "Reichsbauernstadt Goslar", denn bevor ich den "Goslarer Geschichten" beigetreten bin und mich seitdem mit unserer Geschichte befasse, habe ich gar nicht gewußt, dass wir eine Reichsbauernstadt waren!
    Hinweis:
    Der Name "Reichsbauernstadt" war ein nationalsozialistischer Ehrentitel für die Stadt in den Jahren 1936 - 1945.

    Die Schrift des Büchleins ist - wie damals üblich - die Deutsche Frakturschrift.
    Sehr ungewöhnlich für unser heutiges Auge und ziemlich schwierig zu lesen.

    Andererseits ist aber auch vieles wiederum vertraut - z.B. unser Stadtwappen.

    Auf der ersten (Klappen-)Seite heißt es
    Reichsbauernstadt
    Goslar am Harz
    Die tausendjährige Kaiser-, Reichs- und Hansestadt

    Anmerkung: waren wir jemals eine Hansestadt ???????

    Ein Führer durch Stadt und Umgebung
    II. Auflage
    Herausgegeben im Auftrag des Vereins für
    Fremdenverkehr e.v., Verkehrsamt Goslar
    und in Gemeinschaft mit Mitarbeitern von
    Dr. Carl Borchers

    Die zweite Seite ist ein ordentliches Inhaltsverzeichnis, das auch den heutigen Ansprüchen Genüge tut.

    Der Oberbürgermeister der Reichsbauernstadt Goslar hat das Vorwort unterschrieben. Sein Name ist leider nicht zu entziffern.

    Aus dem Vorwort möchte ich wieder ein wenig zitieren, weil ich einige Passagen geschichtsträchtig-interessant finde:

    .... Große geschichtliche Erinnerungen geben den Stätten Goslars ihre Weihe. Goslars Geschichte war einmal Reichsgeschichte in der Höhe des mittelalterlichen deutschen Kaisertums unter den Sachsenkaisern, Saliern und Hohenstaufen, und aus dem Ende des Mittelalters bewahrt es die großen Überlieferungen reichsstädtischer und hanseatischer Vergangenheit. An die Geschichte des Ersten Reiches der Deutschen, deren Sinnbild Goslars hochragende Kaiserpfalz ist, und an die bäuerliche Geschichte Niedersachsens knüpft das deutsche Bauerntum heute an, indem es seine Selbstverwaltung nach Goslar verlegt.

    Danach kommt eine propagandamäßige Lobpreisung Hitlers, die ich hier nicht wiedergeben möchte, weil sie - außer dass sie vom damaligen Goslarer Oberbürgermeister stammt - nicht viel mit Goslar zu tun hatte.

    Auf der nächsten Seite ist ein seitenfüllendes Bild von Hitler und ich weiß nicht wer der andere Herr ist mit dem Untertitel "Der Führer am Erntedanktag in der Kaiserpfalz Goslar".

    Danach geht es dann im Prinzip mit den Fremdenverkehrsinformationen, die doch eher Geschichtsinformationen sind, weiter.

    Das Kapitel lautet "Das heutige Goslar, die Reichsbauernstadt"
    ist trotz ihres altertümlichen Äußeren eine durchaus moderne Fremdenstadt
    (dieses seltsame Wort blieb in den Silberführern noch sehr lange erhalten!) mit neuzeitlichen Einrichtungen aller Art.
    25.000 Einwohner. ..... Goslar ist D-Zugstation, Knotenpunkt von fünf Eisenbahnlinien und Ausgangsort für den Großkraftwagenverkehr in den Oberharz. Goslar ist daher als Haupttor zum Harz und als Brennpunkt des Harzverkehrs anzusehen.......

    Auf der nächsten Seite geht der Text weiter, es gibt aber halbseitig auch ein schönes Foto von der Goslar-Halle.

    Im folgenden Kapitel geht es um Goslars Geschichte (also die Ur- und Frühgeschichte), was vom Thema her nicht zu unserem Beitrag paßt.
    Daher überspringe ich dieses Kapitel.
    Erwähnen möchte ich aber die sehr schönen Fotos.
    Zum Beispiel gibt es ein Foto der Kaiserpfalz aus einer sehr ungewöhnlichen Perspektive. So habe ich die Kaiserpfalz bislang nur äußerst selten - wenn überhaupt - abgebildet gesehen. Wunderbar!
    Ein weiteres Foto ist das Rathaus, was aber ein wenig trostlos von der Aufnahme her wirkt.

    Im nächsten Kapitel geht es im Thema um "Die Reichsbauernstadt Goslar" Der Wille zum Bauerntum.
    Auch hier sind wieder die Fotos erwähnt, die aus meiner Sicht zum damaligen Zeitgeist passen und eine wirklich gute Qualität (alles in s/w) haben.
    Auf einem Foto wird wieder die Goslar-Halle gezeigt mit Menschen in hübschen Trachten davor. Der Untertitel heißt "Reichsbauerntag in Goslar".
    Auf einem anderen Foto wird die Kaiserpfalz anteilig gezeigt, wiederum mit vielen Menschen in Tracht davor. Diese halten Erntedankbäume mit Schmuck, was vor der Kaiserpfalz sehr gefällig wirkt. Die Trachten sind sehr hübsch, alles wirkt wie "heile Welt". Der Bilduntertitel lautet "Vor der Kaiserpfalz am Erntedanktag".


    Der Text dieses Kapitels klingt in meinen Ohren ziemlich propagandamäßig.
    Ich gebe Euch eine kurze Probe in Form eines Zitats:

    Großstadt und Land, verstädterte Zivilisation und bäuerliche Kultur, leichter Internationalismus und bäuerlicher Schöpfungswille - das sind Gegensätze , die unüberbrückbar sind, die sich gegenüberstehen wie Feuer und Wasser. Die bäuerliche Welt, die aus tiefstem Inneren den Ausdruck deutschen Seelenempfindens ist, hat ihr Grab in der Großstadt und in dem aus ihr strömenden Weltgeist gefunden. Alle Kräfte, die an einer Vernichtung göttlicher Werte des Deutschtums arbeiteten, saßen (???) in der Großstadt zusammengeballt, um, wie eine Spinne, von hier aus mit ihren Fangarmen das Land zu umfassen und auszulaugen......

    In dem Ton geht es dann weiter.
    Viel "echte" Information kann ich dem Kapitel nicht entnehmen.
    Aber es gibt in einen Einblick in die damalige Denkweise und Sprache.

    Das nächste Kapitel befasst sich mit den "Sehenswürdigkeiten - das historische Stadtbild".
    Wieder beeindrucken mich die qualitativ guten Bilder und vor allem sind es auch Bilder, die man heute nicht mehr (so oft) sieht.
    Unter anderem en ganz wunderbares Bild von dem Eckzimmer im Erdgeschoß des Siemenshauses. Aus fotografischer Sicht frage ich mich, wie es der Fotograf geschafft hat, so hervorragend zu belichten! Heute braucht es dazu Techniken wie HDR, um solch eine hervorragende Fotoarbeit hervorzubringen. (Sorry, das war eine vom Thema abweichende Anmerkung einer ambitionierten Hobbyfotografin).
    Auf späteren Seiten erfolgt eine Darstellung über die Entwicklung des Fachwerkbaus, die man übrigens auch in den letzten Ausgaben des Silberführers (also Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre) noch finden kann.

    So, damit der Artikel in einem Umfang verbleibt, den man noch an einem
    Abend lesen kann, mache ich hier erst einmal Schluß.
    Es folgt demnächst ein 2. Teil meines Berichtes, denn ich denke, dieser Silberführer der II. Ausgabe übermittelt einiges von dem Zeitgeist der damaligen Jahre.

    Hinweis:
    Die Reichsbauerntage fanden in Goslar 1934, 1935, 1936 und 1938 statt.
    1937 fielen sie wegen der Maul- und Klauenseuche aus, ab 1939 fanden sie
    wegen des Zweiten Weltkrieges nicht mehr statt.

    Den zweiten Teil meines Berichtes beginne ich erneut mit eigenen Anmerkungen und Lobpreisungen über die wunderbaren Fotografien, die in diesem Silberführer enthalten sind.

    Vor mir ausgebreitet sind gerade die Fotos der Klosterkirche Neuwerk und die Häuser der Marktstraße 1+2 (heutige Stadtbibliothek samt der Münzstraße. Irgendwie haben die Häuser damals „oben“ noch mehr Luft voneinander gehabt)
    Wieder wundere ich mich über die fotografische Perfektion dieser Fotos.
    Vor allem die Marktstraße-Fotos würden heute wohl eher mit stark stürzenden Linien gezeigt werden. Ich bin zutiefst beeindruckt, was damals an fotografischem Können vorhanden war!

    Des weiteren gibt es eine wundervolle Luftaufnahme, die die Stadt wie eine Spielzeugstadt aussehen läßt.
    Das Foto zeigt den Marktplatz (beginnend mit dem Kaiserringhaus bis hin zur Marktkirche, dann von links nach rechts mit der Kaiserworth bis hin zur Breiten Straße.
    Der Marktplatz ist sehr belebt und es sieht aus, als seien das alles Buden mit Sonnenschirmen und natürlich vielen Menschen.
    Weitere Fotos zeigen das Große Hlg. Kreuz (unverputzt), Das Innere Tor vom Breiten Tor, die Frankenberger Kirche, das Haus in der Kornstraße Nr. 9, den Frankenberger Plan (ganz ohne Autos – eine Augenweide!!!!).

    Sehr gut gefällt mir das Kapitel über die Weltlichen Bauten (Befestigung, Rathaus, Gildehäuser, Bürgerhäuser, Denkmäler, Brunnen, Gedenkstätten)
    Es gibt dabei u.a. einen handgemalten Lageplan des Breiten Tores, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Dieser Plan macht erst einmal bewußt, was für ein imposantes Schutzwerk der ganze Bau einmal gewesen ist.
    Untermalt wird dieser Plan dann auf der Gegenseite wieder mit einer hervorragenden Fotografie über den Komplex des Breiten Tores (Luftbild), wie man die Fotos so heute auch nicht mehr sieht. Auch die weiteren Fotografien der Gilde- und Bürgerhäuser sind hervorragend.

    Wenn jemand von Euch ein Interesse an Fotografien der damaligen Zeit hat, dann kann ich diesen Silberführer nur empfehlen.
    Er kostet nicht viel.
    Incl. Versand habe ich ihn im Internet bei einem Versandantiquariat
    für € 8,00 erstanden. Allein die enthaltenen Fotos sind aber nicht mit Gold aufzuwiegen!

    Doch jetzt zurück zum textlichen Inhalt des Silberführers der 2. Auflage (ca. 1936-1938 )

    Das Kapitel „Goslar als neuzeitliche Wohnstadt“ enthält viele sachliche Informationen, die ein gutes Bild über das damalige Leben und den damaligen Anspruch an das Leben geben.
    Interessant hierin sind die folgenden Bilder:
    Gartenstadt „Am Fillerbrunnen“, Goetheschule (Südansicht), Greifbrunnen / Greifplatz,
    Anbei nun einige längere Zitate (weitestgehend buchstabengetreu abgetippt) aus diesem Kapitel:

    Erst nach den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts (Anmerkung: also 1870 ff) wächst sie (Goslar) über ihre Ringwälle hinaus ins Freie. Die Vorstädte erklettern die rings ansteigenden Hänge. Das geschah zunächst nicht in weitausschauender Planung, sondern mehr sprunghaft und zufällig. Glücklicherweise blieben dabei an vielen Stellen der Wälle unbebaute Teile, die nachträglich zu Anlagen umgeformt werden konnten und, weiter ausgebaut, wichtige städtebauliche Gestaltungsmöglichkeiten in sich tragen. Erst um die Jahrhundertwende setzte planvolle Vorarbeit auf dem Gebiet der Stadterweiterung ein. Das Beste, was damals entstand, ist das weitläufige Wohnviertel am Steinberg mit seinen gut gepflegten Anlagen.
    Freudig nehmen wir heute die alte Tradition, die Goslar geformt hat, wieder auf. Wesensbestimmend wird jetzt wieder die städtebauliche Idee. Man erkennt, daß nur ein Stadtteil, der in seinen Maßen unter sich abgestimmt ist, der Straßen und Plätze als Raum gestaltet und die persönlichen Wünsche der einzelnen Bauherren der Pflicht gegen die Allgemeinheit unterordnet, bleibenden Wert behalten und der hohen Tradition des alten Stadtbildes wert sein wird. Durch großzügige Bebauungspläne ist Klarheit geschaffen über die angestrebte Grundform der künftigen Stadt.

    Jenseits des Festungsringes haben sich in der Hauptsache drei neue Wohnviertel gebildet. Außer dem schon genannten Steinbergviertel das Georgenbergviertel und das Siemensviertel.

    Das Steinbergviertel ist das gegebene Ansiedlungsgebiet für das gepflegte, in weiten Gärten gelegene vornehme Landhaus.

    Das Siemensviertel erschließt am Wiesenhang des Rammelsberges über den sonnigen Rosenberg hin das Gelände für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern mit kleinen und größeren Gärten in aufgelockerter Bebauung.

    Auf dem Georgenberg endlich wird im Anschluß an den dort bereits bestehenden Stadtteil auf weitem städtischen Gelände eine Gartenstadt entstehen, in der sowohl das schlichte kleinbürgerliche Einfamilien-Reihenhaus als auch das anspruchsvollere Einfamilienhaus, umgeben von entsprechendem Garten, Platz finden kann.


    Die Siedlung am Sudmerberg ermöglicht Raum für Haus und Garten auch bei kleinsten Einkommensverhältnissen.

    Die technischen Voraussetzungen für zeitgemäßes Wohnen sind in Goslar vorhanden: vorzügliche Trinkwasserversorgung, moderne Kanalisation, ein gut eingerichtetes Elektrizitäts- und Gaswerk, neuzeitliche Sportanlagen und Bäder.
    ......
    Goslar ist Sitz des Reichsnährstandes geworden.
    ......
    Bei der städtebaulichen Weiterentwicklung wird man sich bewußt sein, dass nur bodenverwurzelte Menschen auf die Dauer Träger deutscher Kultur sein werden.
    Der Materialismus der Gründer- und Vorkriegsjahre hat die Menschen in Mietkasernen gepfercht und dadurch entseelt. Das neue Deutschland will wieder zufriedene und glückliche Menschen schaffen. Jeder soll in der Lage sein, ein Eigenheim zu besitzen.
    .......

    Diese Überlegungen finde ich im Prinzip sehr wohlüberlegt, fortschrittlich und aus heutiger Sicht für die damalige Denkweise auch sehr modern.

    Und interessant ist für mich auch, dass diese Denkweise (bzgl. der Wohnformen) auch viele Jahrzehnte später (im Silberführer der 1970er Jahre) weiterhin in ähnlicher Weise formuliert wird. (siehe dazu auch meinen Beitrag "Die Sprache im Wandel der Zeit").

    Im nächsten Artikel, dem ich hier ein paar Zeilen widmen möchte, geht es um Industrie und Gewerbe in Goslar.
    Auch daraus wieder ein paar Zitate, deren Inhalt ich ganz informativ finde:

    In der Nahrungs- und Genußmittelindustrie erfreut sich der weltbekannte Sauerbrunnen allgemeiner Beliebtheit.
    .....
    Berühmt war ehemals die Goslarer Gose, ein ebenso nahrhaftes wie wohlschmeckendes obergäriges Weizenbier.
    Die Holzindustrie (Sägewerke, Faßfabrik, Kistenfabrik, usw.) hat eine besondere Bedeutung.
    Darüber hinaus sind in Goslar noch einige Industriezweige, deren führende Bedeutung in der deutschen Wirtschaft und für den deutschen Außenhandel anerkannt ist. Dies gilt besonders von den Greif-Werken, A.=G., Fabriken für Bürobedarf, die zu den bedeutendsten Werken ihrer Art in Deutschland gehören, ferner von der Harzer Hosenträger- und Gürtelfabrik, Marke Cunard, deren Absatzgebiete gleichfalls wie die der Greifwerke zum Teil im Ausland liegen. Die Firma Wilhelm Weule stellt Spiegel und Linien für Leuchtfeuer, Scheinwerfer, Schiffs- und Signallaternen her. In Farbwerken werden sowohl Farberden (die bekannte Ockerfarbe) als auch chemische Farben hergestellten. Das Bleiwerk Goslar wird als das größte Werk in Deutschland bezeichnet.

    Der Silberführer bietet dann tatsächlich auch "richtige" touristische Informationen an, wie z.B. Wanderrouten im Harz (Tageswanderungen und Ausflüge mit Bahn oder Kraftwagenlinien), sowie Radtouren durch den Harz. Diese Tourenvorschläge sind im übrigen in ganz ähnlicher Form ebenfalls auch noch in dem Silberführer der 1970er Jahre zu finden sind!

    Ein ganz interessantes Kapitel - interessant, weil es für mich eher ein aktuelles Thema ist - befasst sich mit Goslar als Standquartier für Kraftfahrzeugbesitzer.
    Auch daraus gibt es wieder ein paar Zitate, weil es für mich einfach auch zum Leben, zur Lebensweise, zum Lebensgefühl der damaligen Zeit mit dazu gehört. Wobei - ich sage es ehrlich - ich dieses Thema niemals in der Zeit vor 1970 angesiedelt hätte So kann man sich täuschen!

    Die ständig sich mehrenden Kraftfahrzeugbesitzer, die es vorziehen, statt mit der Eisenbahn oder großen Verkehrsomnibussen mit eigenen Kraftfahrzeugen die Sehenswürdigkeiten und die schönen Landschaften, so auch Goslar und den Harz aufzusuchen, werden sich mit Recht fragen, ob sie in Goslar, selbst wenn sie darüber hinaus noch den übrigen Harz und den Kyffhäuser besuchen wollen, ein allen Wünschen entsprechendes ideales Standquartier für längeren Aufenthalt finden. Diese Frage ist unbedingt zu bejahen.
    Was zunächst die Unterkunft von Kraftfahrzeugen in Goslar betrifft, kann man darauf hinweisen, dass sich in Goslar nicht nur eine Anzahl von Großgaragen befindet, die den verwöhnten Ansprüchen auf heizbare und verschließbare Einzelboxen mit besonderer Wagenpflege genügen, sondern daß auch große Hallen vorhanden sind, die die Möglichkeit bieten, Kraftfahrzeuge zu billigsten Bedingungen unterzubringen.
    .....
    Darüber hinaus besitzen aber auch die Goslarer Gaststätten in reichem Maße eigene Autogaragen, die es dem Gast ermöglichen, das Fahrzeug in nächster Nähe und möglichst bequem zu halten.

    Damit sind wir am Ende dieses Büchleins angekommen.
    Es gibt ein paar Dinge, die ich persönlich außerordentlich interessant und aussagekräftig empfinde.
    1.) Die Auflage wurde gegenüber der 1. Auflage überarbeitet. Ich hatte hier ziemlich viel nationalsozialistische Propaganda erwartet und bin mehr als erstaunt, wie neutral dieses Buch (von einigen wenigen, recht harmlosen Ausnahmen einmal abgesehen) doch geschrieben ist.
    2.) Die Sprache - die komplizierte, nicht endenwollende Satzbildung - gibt ebenfalls einen ganz interesannten Eindruck der damaligen Zeit.
    Zum Teil habe ich beim ersten und zweiten Lesen gar nicht vollständig verstanden, was da alles gesagt wurde. Wenn ich die heutige Sprache - also noch keine 80 Jahre später - vergleiche, dann liegt da ein wahrer Zeitsprung dazwischen.
    3.) Die Menschen hatten damals offenbar in vielen Dingen die gleichen Prioritäten und Sorgen wie wir heute: wo wohnen, wie wohnen, wo das Auto abstellen?

    Meinen Beitrag zur "Reichsbauernstadt Goslar" möchte ich noch mit ein paar ausgewählten faktischen Informationen abschließen, die auf den letzten Seiten des Silberführers zu finden sind:

    Wichtige Angaben für den Aufenthalt

    Kraftpostlinien (Goslar - Hahnenklee, im Sommer zum Freibad Herzberger Teich, Goslar - Jerstedt - Bredelem, Goslar- Langelsheim - Wolfshagen, Goslar - Immenrode - Liebenburg, Goslar - Okertal - Altenau, u.v.m.)

    Autotaxen (Autotaxenruf Nr. 29 00)

    Fuhrwerk aller Art vermittelt das Verkehrsbüro

    Flugverkehr
    Auskunft und Flugscheinverkauf und Platzbelegung im Verkehrsbüro
    Fernruf 33 33, 31 98

    Reichsbehörden
    Arbeitsamt, Bäringerstr. 34
    Postamt, Adolf-Hitler-Str. 15
    Finanzamt, Tappenstr. 14
    Reichszollverwaltung, Tappenstr. 14

    Schulen
    Realgymnasium mit Gymnasium, Lyzeum, Knaben-Mittelschule, Mädchen-Mittelschule, Knaben-Volksschule, Mädchen-Volksschule, katholische Volksschulen, städtische Berufsschulen, viele Töchterheime und Haushaltungsschulen

    Gesundheitswesen
    Krankenhaus, Mauerstraße
    Leitender Arzt: Dr. med. Behrens
    Unfallmeldestelle, Fernruf: 2850

    Kliniken
    Dr. med. Otto, Triftweg (Sanatorium)
    Dr. Wüst, Claustorwall 34 (Ohren-, Nasen-, Halskrankheiten)
    Dr. Weckert (Augenklinik)

    [erwähnt in der 1. Auflage]
    Sanatorium Theresienhof
    Sanitätsrat Dr. Gellhorn, Rammelsberger Straße
    (Sanatorium für Nervenkranke und Erholungsbedürftige)

    Erholungsheime
    Königsberg (nicht öffentlich)
    Hessenkopf (nicht öffentlich) [erwähnt in der 1. Auflage]

    Apotheken
    Ratsapotheke (gegenüber dem Rathaus)
    Hirschapotheke (Schuhhof)

    Badeanstalten
    Städtische Badeanstalt (Eingang beim Brusttuch oder vom Hohen Weg aus), Wannenbäder, Dampf-, Licht-, Moor-, Schlamm- und medizinische Bäder jeder Art
    desgleichen im Privatbad von Bohlig, Petersilienstraße
    Familienbad am Herzberger Teich
    Freibad auf dem GSC-Sportplatz

    Städtische Liegewiese
    unweit der Gaststätte Nonnenberg
    Verleih von Liegestühlen


    Quellenhinweis:
    Alle Zitate dieses Artikels stammen ausschließlich aus dem Fremdenführer der Stadt Goslar (genannt: "Silberführer"), 2. Ausgabe, ca. 1938

    Und zum Schluß noch ein paar Links
    1.) Königsberg-Sanatorium ... Verfall und Zustand heute
    http://www.koenigsberg-sanatorium.de/start.htm
    2.) Herzberger Teich .... Verfall und Zustand heute
    http://www.rottenplaces.de/rp/page.p...&nid=221&rub=7
    Das "Haus Hessenkopf" dagegen hat es geschafft, sich in die heutige Zeit zu retten.
    http://www.hessenkopf-goslar.de/info...ronologie.html
    Der "Theresienhof" existiert übrigens ebenfalls noch.
    Heute ist es zwar kein Sanatorium für Nervenkranke mehr, sondern ein Altenpflegeheim, aber es ist schön, ein paar "alte Bekannte aus der Vergangenheit" auch im heutigen Goslar noch vorzufinden.
    http://www.theresienhof-goslar.de/

  2. Danke von:

    zeitzeuge (23.02.2015)

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