NATÜRLICHE ERKLÄRUNG
In der Zeit, die wir die "gute, alte" nennen, machten die
Hausärzte regelmäßig ihre Besuche in den Familien, die zu
ihren Patienten gehörten, ganz gleich, ob jemand krank war
oder nicht. Seinem Hausarzt war man vielfach auch freund-
schaftlich verbunden. Einmal im Jahr schickte der Hausarzt
seine Kostenrechnung.
Dr. Nieper suchte die angesehene Familie B. auf. Nachdem
er sein obligates Glas Burgunder bekommen und den Börsen-
bericht im "Hannoverschen Kurier" gelesen hatte, fragte er
nach dem Befinden der Familienmitglieder.
Gottlob waren alle gesund, nur Mathilde, das Hausmädchen,
schien nicht ganz auf dem Damm. Schwindelanfälle, Übelkeit,
Erbrechen. Vielleicht untersuchte der Doktor sie einmal.
Nieper hob seine stahlblauen Augen und fragte:
"Na, Verehrteste, sollte sie etwa...?"
"Aber Herr Doktor! Das Mädchen ist jetzt acht jahre im
Hause, ein ganz solides, anständiges Menschenkind. Nein,
nein, Mathilde macht solche Sachen nicht!"
Die daraufhin folgende Untersuchung bestätigte Dr. Niepers
Diagnose. Mathilde erwartete etwas Kleines.
"Wie ist so etwas nur möglich?" rief Frau B:, "ich habe
viele Mädchen gehabt, aber dies war das beste und anstän-
digste. Wie kommt das nur?"
"Tja, Liebste", sagte Nieper tröstend, "die Mädchen sind nun
mal dafür eingerichtet, und da kommt das eben."
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Quelle: "Hier schmunzelt das Dukatenmännchen", Hans W. Ulrich. Goslar 1965.