DAS FEUCHT FRÖHLICHE KLEEBLATT

Alte Goslarer erinnern sich noch der drei Kumpane, die
Bedeutendes im Vertilgen gebrannten Wassers, aber sonst
nicht viel Nützliches leisteten. Das Kleeblatt bestand aus
dem Berger, Mädelbaum und August, das jede Gelegenheit
wahrnahm, der Arbeit aus dem Wege zu gehen, denn sie
waren Gelegenheitsarbeiter. Sie arbeiteten bald hier, bald
gar nicht. Ein festes Arbeitsverhältnis mieden sie. Es behin-
derte ihre persönliche Freiheit. Diese Freiheit wurde indessen
öfter beschnitten, wenn die Eckensteher ihren Unmut über
die ungerechte Verteilung der irdischen Güter oder die
mangelhafte soziale Gesetzgebung zu lärmend äußerten. Die
drei Schluckbrüder waren im Aussehen und Temperament sehr
verschieden, aber sie hatten eines gemeinsam: Anstren-
gender Arbeit gingen sie aus dem Wege und nahmen
vorwiegend flüssige Nahrung zu sich. Eine Flasche "Eppi"
vermochte ihre Herzen zu erwärmen, ihre rauhen Kehlen
zu schmieren und ihnen Mut einzuflößen, Standespersonen
und Gesetze zu beschimpfen.

An ihren Treffpunkten besprachen sie lokale Dinge. Lokale
interessierten sie besonders. Oder sie debattierten über
die (Gast-)Wirtschaftslage.

Einer dieser Treffpunkte war der Schapergarten, der Schäfer-
garten, am Rosenberg, der dem angesehenen Landwirt Karl
Tappe, kurz Onkel Karl genannt, gehörte. Im ersten Stickel-
beerenbusch stand die Rodehacke, mit der sich, wer wollte,
Marreik (Meerrettich) holen konnte.

Ein altes, etwas morsches Gartenhäuschen gewährte bei
Regenwetter Schutz, zumal sich in dem dort lagernden
Grummet der schwerste Rausch ausschlafen ließ.

Nachdem das Kleeblatt eines Tages eine Flasche "Eppi tau
Bodde e'maket harre", beschloß es, "Räuber und Gendarm"
zu spielen und Mädelbaum sollte den Gendarmen machen,
während Berger und August sich als Räuber versteckten.
Mädelbaum, der keine Lust hatte, viel herumzusuchen und
gewöhnt war, die Dinge von höherer Warte zu betrachten,
erstieg das Dach des Gartenhäuschens. Leider war es der
Belastung durch eine solche Schnapskanone nicht gewachsen
und brach ein, so daß Mädelbaums Kopf und Arme oben
heraussahen, während sein übriger Körper frei in der Luft
schwebte. "Hilpe! Hilpe!", schrie er, "ek hänge twischen
Himmel un Ire!"

Seine Kumpane erretteten ihn aus der Bedrängnis, aber sie
ärgerten sich, daß die alte Bude ihnen das Spiel verdorben
hatte. Zu ihrem Schnapsrausch gesellte sich ein Rausch der
Zerstörungswut, und sie trampten und posten gegen die
Wände, daß das Lehmfachwerk herausfiel. Nun sollten auch
die Balken umgelegt werden, denn wenn sich die drei einmal
zur Arbeit entschlossen hatten, gab es keinen Feierabend.

Aber wie in der biblischen Geschichte der Herr in einer
Wolke erschien, so trat jetzt aus Lehm- und Staubwolken
Herr Tappe hervor. Hatte er sonst dem Treiben der drei
Schnapsbrüder nachsichtig zugesehen und wohl auch einen
mitgetrunken (wenn noch aaner in'ner Pulle war), so ließ
er jetzt jeden Humor vermissen und zeigte die Täter wegen
grober Sachbeschädigung an. Selbst bei Sensationsprozessen
hatten sich die Zuhörer nicht so im Gerichtssaale gedrängt,
wie bei dieser Verhandlung. Der Amtsgerichtsrat leitete sie
mit Verständnis und Sinn für Humor. Zunächst protestierte
Mädelbaum gegen die Bezeichnung Gelegenheitsarbeiter.
"Ek daue jede Arbaat, hoger Jerichtshof", sagte er,
"aber ek finne man nich so ofte dei Gelägenhaat!"

Als die Anklage verlesen wurde und Onkel Karl als einziger
Zeuge auftrat, lehnten ihn die drei Kumpane als befangen
ab. Zur Begründung sagte der Berger: "Herr Amtsgerichts-
hof, sulange hei sülbens middesopen hät, sulange hät hei
nist e'seggt, aber getzte, uppemah, sind wei besopen e'west
un häbben dei uhle Budike af'eretten!"

Sie wurden zu einigen Tagen verknackt und mußten unter
Aufsicht vom "uhlen Brannes", dem Gefängniswärter, Holz
hacken. Sie taten es, bis auf den Berger, der es verstand,
sich sogar hier zu drücken. "Nä, nä", sagte er, "ek keike
so veel karriert un hacke mek noch'n Dumen af, un denn
mot der Amtsrichter Schmerzensgeld betahlen uder hei mot
mek als Invaliden erhuhlen. Nä, nä, ek will et Jerichte
nich schädigen!"

Um dem vorzubeugen, mußte er den Holzwagen durch die
Stadt ziehen.


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Quelle: "Hier schmunzelt das Dukatenmännchen", Hans W. Ulrich. Goslar 1965.