Als ich 5 Jahre alt war, zogen wir von der Breiten Straße in die Dedeleberstraße. Es waren immer Kinder zum Spielen draußen und schnell hatte ich Kontakt gefunden. Die Spiele wechselten ständig. Wir haben uns mit Völkerball, Halli-Hallo und anderen Ballspielen vergnügt, alles auf der Straße. Ganz selten mussten wir wegen eines durchfahrenden Autos unser Spiel unterbrechen. Wir haben Lackbilder getauscht, haben mit Puppen gespielt, sind Rollschuh gefahren und haben oft vor der Toreinfahrt von List „gekitschelt“. Dann haben wir wieder Räuber und Gendarm gespielt und haben dabei die Gegend unsicher gemacht. Das Spiel endete jedes Mal unweigerlich hinter dem Wasserloch an der Glockengießerstraße, obwohl mir strengstens verboten war, dieses zu durchqueren. Nachdem man die schmale Steintreppe an der Mauer zur Abzucht hinuntergeklettert war, balancierte man zuerst über die Steine der Abzucht, zwischen denen das Wasser dahinplätscherte, dann schlossen sich glitschige Holzbohlen an und danach kam das Meisterstück. Unter dem steinernen Torbogen schien das Wasser zu stehen und unendlich tief zu sein und man konnte nur über die hineingelegten Steine und Bretter auf die andere Seite gelangen. Für mich war es schon eine wirkliche Herausforderung, das Wasserloch trockenen Fußes zu durchqueren. Das Verbot meiner Eltern machte die Sache umso spannender. Auf der anderen Seite wartete die Belohnung. Grüne Wiesen, Vogelgezwitscher, wild wuchernde Schrebergärten, um die sich offensichtlich niemand kümmerte. Wir haben Johannis- und Stachelbeeren, Äpfel und Birnen gegessen (wahrscheinlich verbotener Weise) und haben auch hin und wieder Sauerampfer probiert. Es war einfach nur wunderschön. Einmal habe ich mir dann doch nasse Füße geholt, was meiner Mutter natürlich nicht entging. „Ab ins Bett und warte, bis dein Vater nach Hause kommt, dann kannst du was erleben“…und ich habe was erlebt!!

Mein sehnlichster Wunsch waren Rollschuhe mit Gummirollen, ich hatte nur welche mit Eisenrollen, die unheimlich schnell und gefährlich waren. Meine Knie waren im Sommer permanent kaputt. Zum Geburtstag bekam ich dann Hudora-Rollschuhe, die mein allergrößter Stolz waren und mich zu einer Rollschuhläuferin par excellence machten. Mein Wunsch nach weißen Schlittschuhstiefeln ging allerdings nicht in Erfüllung. Ich musste weiterhin auf dem Kahnteich mit untergeschnallten „ollen“ Schlittschuhen laufen, die auch hin und wieder mal die Sohlen von meinen Schuhen abrissen.

Meine Skier waren auch nicht viel besser. Es gab zwar schon moderne Bindungen, aber meine wurden hinter der Hacke zugeklickt. Sie scheuerten unendlich und ich hatte nach einem Skitag dicke brennende Blasen an meinen Fersen, die aber nichts bedeuteten gegenüber einem tollen Tag im Schnee. Wir sind immer hinter der Bleiche Ski gelaufen, dort gab es sogar die berüchtigte „Todeskuhle“ mit selbstgebauter Sprungschanze. Wahnsinn, wie mutig man als Kind sein kann, weil man die Gefahren absolut unterschätzt.

Auf unserer Straße waren auch zwei Bauern zu Hause. Einer davon, Alfred Tappe, wurde von den Kindern nur Onkel Alfred genannt. Wir durften auf seinem Pferdewagen mitfahren, wenn er sich um seine Felder hinter der Bleiche kümmern musste. Ich glaube, die Gegend hieß „Trüllecke-Tal“?? Wir durften auch bei ihm „Heu trampeln“, wenn das gemähte Gras in seinem Stall getrocknet war und das Volumen kleiner werden sollte. Es gab nichts Schöneres, als von der Leiter ins Heu zu springen und darin herumzutoben. Wir hatten so viel Spaß. Ich glaube aber auch, dass Onkel Alfred ein ganz besonderes Herz für Kinder hatte.