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Thema: Ein einheimischer Tourist (fotografisch) in Goslar unterwegs...

Baum-Darstellung

  1. #11
    Schießhauer Avatar von AlterSchirm
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    Hier mal ein paar Daten zum Breiten Tor und ich versuchs kurz zu machen, denn hier sollen wir ja nicht so viel schreiben, was man prinzipiell in Geschichtsbüchern nachlesen kann...

    Das erste Loch in der Mauer wurde auch hier gelassen, als im 11. oder 12. Jh die erste steinerne Mauer um Goslar gezogen wurde.

    (Wir erinnern uns: Am 29.06.1073 zogen die Sachsenfürsten nach Goslar zum Kaiser und die Stadt (Bergdorf und Pfalz) war durch Wall und Holzpalisade geschützt [Annales; Lampert von Hersfeld]. 1181 wird beim "Bauantrag" des Neuwerk Klosters die steinerne Mauer erwähnt. Dazwischen wurde sie gebaut.)

    Die Tore dieser ersten Stadtmauer bestanden "nur" aus einem (dem) rechteckigen Turm mit der Tordurchfahrt. Alle anderen Gebäude der Tore sind erst Anfang des 16. Jh entstanden zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Mauer um einige Meter erhöht. Man kann gerade am Breiten Tor die aufgesetzte Mauerkrone gut an der unterschiedlichen Farbe und Art der Steine erkennen, wenn man an der Stele steht.

    Der rechteckige Turm ist demnach das mit Abstand älteste Gebäude der Toranlage. Über der Tordurchfahrt befand sich ursprünglich die St. Bartholomäus Kapelle (Schutzheiliger des Tores). Dort konnten Reisende noch ein letztes Mal um Segen für die bevorstehende Unternehmung beten. Für das Tor gab es außergewöhnlicher Weise einen zweiten Schutzheiligen, Daniel, dessen Kapellenstandort um 1400 südlich des (eckigen) Turmes gelegen hat, von dem aber heute keinerlei Spuren mehr vorhanden sind. Der Turm allerdings wurde "Danielsturm" genannt und taucht als solcher in alten Dokumenten auf.

    1397 gab es erneut einen "Bauantrag" für die Änderung des Turmes. Die Tordurchfahrt (aller Tore) sollte erweitert und erhöht werden, weil die Fuhrwerke deutlich größer geworden waren und es zu Behinderungen bei der Durchfahrt kam. Der Bischhoff von Hildesheim, an den der Antrag gerichtet werden musste, stimmte zu und so entstand die Tordurchfahrt, wie wir sie heute noch kennen. Für die Erweiterung musste die Torkapelle verlegt werden, was der eigentliche Grund für die Anfrage an den Bischof war.

    Mitte des 15. Jh wurden die Gruben am Rammelsberg wieder gesümpft und Bergbau und Verhüttung brachten viel Geld ein, so dass zum Ende des Jahrhunderts die Stadtbefestigung erweitert werden konnte. Erst jetzt (gut 300 Jahre später) enstanden die sogenannten Torburgen und so auch hier der Rißlingsturm als Torzwinger, die Torkaserne, die wir als Werderhof kennen und die Flankierungstürme am alten Torturm. 1506 wurden die Reste der alten Danielskapelle überbaut bzw. in die Toranlage integriert. Zwischen dem Werderhof und dem Rißlingsturm entstand ein neues äußeres Tor, dass mit dem alten, jetzt inneren Tor die Torburg abschloss. Der runde Flankierungsturm (heute Brieger Turm genannt) neben dem eckigen alten Torturm war so angelegt, dass man von dort durch das geöffnete neue, äußere Tor anrückende Feinde auf der Zugbrücke vor dem Tor unter Beschuss nehmen konnte. Der Winkel zwischen innerem und äußerem Toren war absichtlich so gestaltet, dass man in umgekehrter Richtung nicht durch das äußere Tor in gerader Linie auch durch das innere Tor in die Stadt schießen konnte. Deswegen fahren wir heute noch in einer kleinen Kurve durch die Durchfahrt des inneren Tores in die Breite Straße.

    Aus dieser Zeit, dem gerade beginnenden 16. Jh stammen auch die Kaiserstandbilder in den Zwingern - jeder der 7 großen Zwinger hatte so ein Standbild und auch alle alten (inneren) Tordurchfahrten. Diese (unterschiedlichen) Standbilder stellten keine konkreten Kaiser dar, sie sollten lediglich bekannt machen, dass die Stadt als kaiserlich freie Reichsstadt unter dem direkten Schutz des Kaisers stand. Ein Angriff auf die Stadt kam einem Angriff auf den Kaiser und das Reich gleich.

    Auf Grund seines besonderen Bartes wird das Standbild im Rißlingsturm oft "Barbarossa" genannt. Bei seiner Entstehung war der Kaiser Barbarossa (+ 1190) aber schon seit mehr als 200 Jahren tot und das Aufstellen eines solchen Standbildes hätte einen Afrond gegen den herrschenden Kaiser (zu dieser Zeit der Habsburger Maximilian I) bedeutet. Das wiederum hätte möglicherweise zum Verlust der kaiserlichen Gunst geführt, die man als relativ kleine Zelle im Machtspiel der deutschen Fürstentümer dringend brauchte. (Wie sich 1522 herausstellte...)

    1533 wurde der eckige (inzwischen innere) Torturm durch einen Blitzschlag in Brand gesetzt und beschädigt. Von den Reparaturen sind einige Dokumente erhalten, so dass wir wissen, dass der Turm deutlich (mindestens zwei volle Stockwerke) höher war, als heute. Zu dieser Zeit hatte er an jeder Ecke im oberen Stockwerk einen kleinen Erkerturm mit eigenem Dach, so dass sich insgesamt 5 Spitzdächer in den Himmel reckten; 4 kleine an den Ecken und das große Hauptdach in der Mitte - ein sog. Fünffingerdach. Seine heutige Form und Höhe erhielt der Turm nach dem Stadtbrand von 1728, als die oberen Stockwerke durch das Feuer stark beschädigt zusammenstürzten. Nach dem Brand trug man einfach bis auf die noch stabile Bausubstanz ab und spannte ein neues Dach darüber. Als Festung war der Turm im 18. Jh wegen der weiter entwickelten Waffentechnik sowieso nicht mehr zu gebrauchen.

    Kurze Zeit später im 18. Jh begann die Stadt die überflüssig gewordenen Befestigungsanlagen an Privatleute zu verkaufen (bis auf den Thomaswall) und in der Folge gab es einige Besitzerwechsel. So erstand im Jahr 1883 der General von Werder das alte Kasernengebäude und lies es zum Wohnhaus umbauen. Sein Name haftet bis heute an dem Gebäude, das inzwischen der Firma HC Starck als Gästehaus dient. (Aus der Zeit dieses Umbaus stammen die Kaiserstandbilder am Werderhof) Ebenso im 19. Jh kam der Landwirt Rißling in den Besitz des Torzwingers, den er als Scheune nutzte und der seit dem Rißlingsturm genannt wird.

    Bei der Anlage der Mauerstraße und der Kornstraße wurden die Verbindungsmauern der Torburg abgerissen, so dass nur noch die im Bereich des Werderhofes erhalten sind. Gräben und Wälle wurden eingeebnet und überbaut. Trotzdem ist das Breite Tor heute die am besten erhaltene Toranlage Goslars.

    1981 bekam Richard Serra für seine Kunst den Kaiserring verliehen. Seine Steele in Goslar steht am Breiten Tor und soll durch Form und Farbe zum Widerspruch von alt / konservativ zu neu und modern anregen - was sie, wie man den Kommentaren hier entnehmen kann, ja auch reichlich tut. Andererseits stellt sie auch die Verwandschaft der Moderen zur Historie dar, indem sie als dicke Panzerplatte vor der mittelalterlichen Panzerung steht...

    Ist jetzt doch etwas länger geworden, falls es zu viel war, bitte löschen, falls noch Fragen sind, bitte fragen.
    Geändert von AlterSchirm (09.04.2013 um 11:23 Uhr)
    Alles Liebe
    Jan

  2. Danke von:

    Andreas (09.04.2013),boborit (09.04.2013),Hanno (09.04.2013),Sperber (09.04.2013),Strippenzieher (09.04.2013),zeitzeugin (17.04.2013)

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